Die Entwicklung des Fahrzeug-Performance-Engineerings im Zeitalter der Elektrifizierung

Neue Technologien erfordern neue Abläufe. Entdecken Sie die Triebkräfte hinter Vehicle Performance Engineering und wie Sie den Entwicklungsprozess zukunftsfähig gestalten können.
Der Übergang zu autonomen und elektrischen Fahrzeugen sorgt in der Automobilindustrie und beim Performance Engineering für neue Herausforderungen. In der Vergangenheit waren Hersteller darauf eingestellt, zwei oder drei neue Modelle pro Jahr zu entwickeln. Jetzt geht es darum, mit der steigenden Nachfrage Schritt zu halten und im Zeitalter der Elektrifizierung wettbewerbsfähig zu bleiben. Beispielsweise strebt Toyota an, bis zum Jahr 2030 dreißig neue Elektrofahrzeugmodelle zu entwickeln.
Ein Elektromotor ist in vielerlei Hinsicht deutlich simpler aufgebaut als ein Verbrennungsmotor. Es gibt deutlich weniger bewegliche Teile. Sie brauchen lediglich einen Motor, eine Batterie und einen Wechselrichter – schon sind Sie startklar.
Um Effizienz und Leistung von E-Fahrzeugen zu steigern, werden Wechselrichter, Motor und Getriebe in einem Gehäuse integriert. Früher arbeiteten Ingenieure aus verschiedenen Fachrichtungen sehr unterschiedlich. Nun gilt es, ihre Komponenten aufeinander abzustimmen, damit alles wie aus einem Guss funktioniert. Zuerst gibt es die Konstrukteure für Elektronik, Elektromagnetik und Maschinenbau. Und dann arbeiten Software-Konstrukteure an der Steuerung sämtlicher Komponenten.
Wie schaffen Sie es, dass diese vielfältigen Talente effektiv zusammenarbeiten? Wie lässt sich die Fahrzeugleistung verbessern und die steigende Modellvielfalt bewältigen?
Fragen beantwortet von unseren Performance-Engineering-Konstrukteuren
Vor diesem Hintergrund führte SAE International kürzlich ein Webinar durch. Drei Siemens-Experten erklärten, wie der Fahrzeugentwicklungsprozess zukunftsfähig gestaltet wird:

Katrien Wyckaert, Steven Dom und Fred Ross beantworteten Fragen aus dem Publikum, darunter:
- Wie verändert sich die Bedeutung der Simulation im Rahmen des modellbasierten Systems Engineering (MBSE)?
- Wie können Unternehmen bestehende Tools einbinden und wie wird sich ihre Entwicklung in den nächsten Jahren wandeln?
- Wie lassen sich CAD-Daten in die Simulation integrieren?
- Was sind die einfachsten und komplexesten Subsysteme, die entwickelt werden müssen?
- Kann Simcenter Rückmeldungen aus der Praxis zur Validierung von Testmodellen und Entwicklungsunterstützung nutzen?
- Werden Behörden wie NHTSA oder FAA den Wechsel zu MBSE-Werkzeugen unterstützen oder vorantreiben?
Zusammenarbeit und Integration
Nach dem Webinar traf sich Luke mit Steven Dom. Sie erörterten, wie Siemens Hersteller bei den neuen Herausforderungen im Vehicle Performance Engineering für autonome und E-Fahrzeuge unterstützt.
Steven erläuterte, wie Simulation die Weiterentwicklung der Fahrzeugkonstruktion vorantreibt und von Beginn an eine ganzheitlichere Betrachtung der Fahrzeugentwicklung ermöglicht:
„Typischerweise verzweigt sich die Entwicklung in verschiedene Konstruktionsbereiche und läuft nur an bestimmten Meilensteinen eines Projekts wieder zusammen. Aber so arbeitet man nicht am besten. Und wenn mehr Modelle in kürzerer Zeit zu entwickeln sind, ist das schlichtweg ineffizient. Sie müssen vernetzter denken. Eine Methode, bei der alle Projektbeteiligten simultan die Aktivitäten der anderen einsehen können.“
Im Webinar präsentiert er konkrete Beispiele, wie isoliertes Arbeiten zu zahlreichen Umkonstruktionen und Verzögerungen führt, die durch frühzeitige Zusammenarbeit vermeidbar wären. Und Zusammenarbeit ist eine der großen Stärken des Simcenter-Toolsets – es bringt Experten zusammen, um an einem Modell zu arbeiten, das die Höchstleistung jeder Fahrzeugkomponente gewährleistet. Das Webinar zeigt anhand detaillierter Folien, wie verschiedene Spezialisten die Arbeit anderer einsehen und, wie Steven sagt, auf deren Ergebnissen „aufbauen“ können.
Möchten Sie weitere Beispiele sehen? Entdecken Sie diesen Blog zur Modellierung und Integration elektrischer Maschinen.
Modulare Konstruktion und vorgelagerte Simulation
McKinsey hat ausführlich über die Herausforderungen der Rentabilitätssteigerung bei Elektrofahrzeugen berichtet, und laut Steven liegt dies an noch unzureichend entwickelten Entwicklungsprozessen.
„Sie müssen eine eigene, modulare Plattform für E-Fahrzeuge entwickeln“, sagt er. „Ich nenne es das Legostein-Prinzip – mit vorgefertigten Bausteinen zu arbeiten ist weitaus effizienter als jedes Mal von vorn zu beginnen. Kombinieren Sie dies mit dem Frontloading Ihrer Simulationen, um möglichst viele Entscheidungen früh im Konstruktionsprozess zu treffen. So wird das Endprodukt nicht nur besser, sondern auch kostengünstiger und schneller entwickelt.“
Er erklärt weiter, wie modellbasiertes Systems Engineering (MBSE) für erfolgreiches Vehicle Performance Engineering unverzichtbar ist. Im Webinar erläutert Fred Ross zudem anhand eines konkreten Beispiels, wie Siemens Kollaborationstools zur Entwicklung eines Konzeptfahrzeugs nutzt.
Die neuesten Simcenter-Tools bieten verbesserte Physik und optimierte Abläufe, was die Entwicklung von Systemen wie der Batteriekühlung noch effizienter gestaltet.
Simulation und Prüfungen in der Automobilindustrie verzahnen
Es dreht sich aber nicht alles um Simulation. Steven betont, dass ein Schlüsselelement zur Verbesserung des Vehicle Performance Engineering das Zusammenspiel von Simulation und Prüfungen ist. „Früher nutzten wir ein Simulationsmodell zur Festlegung der Sensoranordnung an Testfahrzeugen. Jetzt führen wir Tests und Simulationen in einer gemeinsamen Umgebung parallel durch.“ In dem Webinar erläutert er, wie dies durch die Ermöglichung bisher unmöglicher Elementanalysen weitaus präzisere Ergebnisse liefert als die Einzelmethoden.
Die Zukunft ist künstlich (Intelligenz)
Künstliche Intelligenz (KI) spielt ebenfalls eine Schlüsselrolle im Entwicklungsprozess. „Mithilfe virtueller Sensoren trainieren wir ein KI-gestütztes neuronales Netz, um die gleichen Daten aus wesentlich einfacheren Sensoren zu gewinnen als bisher mit komplexen, teuren Systemen“, erklärt Steven. „Das bedeutet, Sie erzielen die Ergebnisse mit geringerem finanziellen und zeitlichen Aufwand für Testinstrumente.“
Natürlich gehört zum modernen E-Auto auch autonomes Fahren. Künftig wird der Mensch beim Fahren gänzlich überflüssig, und Steven erläutert, dass KI auch hier eine Rolle spielt. „Die Wahrnehmungs- und Steueralgorithmen setzen auf umfassende KI. Es ist eine Kombination aus der Gestaltung der Umgebung mittels Tests und Simulationen, gefolgt vom KI-Einsatz zur schnellstmöglichen Validierung verschiedener Szenarien, um die beste Konstruktion zu erzielen.“

Von den ersten Weltraumraketen zu Fahrzeugen des 21. Jahrhunderts
Es ist faszinierend zu beobachten, wie die Automobilbranche die Herausforderungen der Elektrifizierung meistert. Moderne Technologie befähigt Hersteller, ihre Prozesse zur Konstruktion und Entwicklung künftiger Fahrzeuge zu optimieren. Die dahinterstehende Theorie ist jedoch älter als man meinen könnte.

„Model-Based System Engineering (MBSE) lässt sich bis zur NASA und den Anfängen der Raumfahrt zurückverfolgen.“
Steven Dom
„Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen mussten kooperieren, um sichere und zuverlässige Raketen zu entwickeln, die Astronauten ins All, zum Mond und zurück befördern konnten. Sie nutzten seinerzeit eine Art MBSE. Die Idee ist keineswegs neu. Doch heute verfügen wir über bessere Werkzeuge, mit denen wir es im letzten Jahrzehnt in die Automobilbranche einführen konnten.“