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Einsatz aktiver Geräuschentwicklung in der Massenfertigung

von Jeroen Lanslots

Von Anfang an das Ende im Blick zu haben ist eine der 7 Gewohnheiten hocheffektiver Menschen, wie von Stephen Covey in seinem Bestseller beschrieben, und resoniert am stärksten bei der Konstruktion komplexer Produkte. Nehmen wir den aktiven Sound als Beispiel: Er muss konstruiert, im Fahrzeug validiert und schließlich im Zielfahrzeug implementiert werden. Der Einsatz aktiver Klang-Konstruktion in der Serienfertigung erfordert, dass diese auf einer spezifischen Tier-1-Audio-Hardware (HW) lauffähig ist. Sound Designer leisten entscheidende Beiträge zur Gestaltung von Klängen, die innen wie außen die Markenwahrnehmung prägen. Doch sie sollten das Endziel nicht aus den Augen verlieren: Der Klang soll in Serienfahrzeugen zum Einsatz kommen. In der Praxis sollte eine Strategie zur Implementierung in Embedded-Audio-Hardware führender Zulieferer vorliegen.

Aktives Sounddesign ist eine Methode

Active Sound Design (ASD) ist eine Konstruktionsmethode, die über funktionale Geräusche hinaus bedeutungsvolle Klänge für das Fahrzeug (innen und außen) erzeugt, um die Innenraumakustik zu optimieren und die Fußgängersicherheit zu erhöhen.

Warum möchten Konstrukteure Fahrzeuge mit Geräuschen versehen? Erstens aus Notwendigkeit. Elektro- und Hybridfahrzeuge sind bei geringem Tempo nahezu oder völlig geräuschlos. Dies schafft potenzielle Gefahren für besonders verletzliche Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer. Insbesondere Sehbehinderte und Kinder. In einem Szenario eines Straße überquerenden Fußgängers dient akustisches Feedback als Frühwarnsystem für Gefahren.

Wir „müssen“ also Geräusche außen am Fahrzeug hinzufügen! Doch es besteht auch die Chance, dies intern umzusetzen, „weil wir es können“. Elektromotoren liefern beeindruckendes Drehmoment, das beim Antippen des Gaspedals unmittelbar abrufbar ist. Doch dem kraftvollen Schub folgt kein Sound, der der Fahrzeugdynamik gerecht wird.

Da Klangvorlieben individuell sind, ermöglichen Autohersteller ihren Fahrern die Anpassung des aktiven Sounds, wie hier beim KIA EV6 ersichtlich.

Beim Umgang mit Fahrzeuggeräuschen gilt es sicherzustellen, dass nicht nur jede Komponente den „richtigen“ Klang erzeugt. Konstrukteure müssen zudem auf ein harmonisches Zusammenspiel untereinander achten.

Die Analyse von Elektrofahrzeug-Geräuschen offenbart neue Lärmquellen. Diese wurden bisher vom Lärm des Verbrennungsmotors überlagert und sind nun in Elektrofahrzeugen deutlich wahrnehmbar. Bei höheren Geschwindigkeiten dominieren Straßen- und Windgeräusche und stellen die Hauptlärmquellen dar. Andere Systeme und Komponenten wie Klimaanlage oder Batteriekühlung sind im Fahrzeuginneren ebenfalls wahrnehmbar.

All diese Geräuschquellen werden von Konstrukteuren bei der Gestaltung aktiver Fahrzeugklänge berücksichtigt. Die Kombination dieser Klänge mit dem künstlich hinzugefügten Klang ist ein wichtiger Aspekt bei der Konstruktion. Daher ist die Validierung im Zielfahrzeug von höchster Wichtigkeit und erlaubt die finale Feinabstimmung des Sounds. Dies lässt sich auch teilweise vorab in Fahrzeugsimulationen integrieren.

Das Implementieren von Active Sound Design für die Serienproduktion unterscheidet sich von: ,Beauftragen wir einen Soundkonstrukteur für die Komposition und integrieren den Klang ins Fahrzeug.‘ Stattdessen ist es eine Methodik, die aus 3 klar definierten Schritten besteht, wie in der unten stehenden Abbildung gezeigt. Sie unterscheiden sich geringfügig, je nachdem, ob das Ziel die Konstruktion eines externen AVAS-Klangs oder eines Innenraumklangs ist. Allerdings sind die Schritte in beiden Abläufen weitgehend identisch. Konstruktion im Studio, Validierung und Feinabstimmung im Fahrzeug, Einsatz in der Serienproduktion.

Active Sound Design ist ein Prozess, der von der Konstruktion über die Validierung bis zur Serienfertigung reicht.
Active Sound Design ist ein Prozess, der von der Konstruktion über die Validierung bis zur Serienfertigung reicht.

Konstruktionsphase

In der Konstruktionsphase starten Klangkonstrukteure mit einem unbeschriebenen Blatt. Ihr Ziel: Die Markenidentität des Auto-Erstausrüsters, dessen Fahrzeugpalette und einzelne Modelle zu definieren.

Obwohl Sounddesign kreativ ist, folgt die Konstruktion aktiver Klänge einem schrittweisen Prozess. Der Markensound-Prozess definiert die passenden Attribute für ein Fahrzeug. Dies lässt sich in einem regelbasierten Ansatz definieren. Es ist das Ergebnis mehrerer Durchläufe und Gespräche mit zentralen Entscheidungsträgern. Dazu zählen Konstrukteure, Ingenieure sowie potenzielle Käufer und Fahrer. Sie setzen Methoden wie Jurybewertungen ein. Diese Regeln können zunächst sehr subjektiv erscheinen, und Klangkonstrukteure streben danach, sie durch Klangbeispiele zu veranschaulichen. Das definiert gemeinsam den Markenklang, den wir in der aktiven Klang-Konstruktion wiederfinden möchten.

Klangsignaturen können bereits in einer frühen Phase anhand von aufgezeichneten Fahrprofilen realer Fahrzeuge beurteilt werden. Weitere Informationen dazu finden Sie in diesem Beitrag!

Validierungsphase

In der Validierungsphase möchte der Sounddesigner die im Studio entwickelten Klänge auf das Zielfahrzeug übertragen. Denn alles, was Sie im Studio entwerfen, muss im Fahrzeug validiert werden.

Die Klangmodelle müssen an einem Fahrzeuggeräuschsimulator oder, noch besser, dem tatsächlichen Fahrzeugprototyp getestet werden. Das ist entscheidend, damit das Klangmodell aus dem Studio im Fahrzeug identisch klingt. Die tatsächliche Interaktion des Fahrers mit dem erzeugten Klang kann nur in seiner realen Umgebung getestet werden. In diesem Moment ist eine Echtzeit-Interaktion mit dem Fahrzeug erforderlich, um auf die Parameter zuzugreifen, die den aktiven Klang beeinflussen.

Um die Klangsignatur an den CAN-Bus anzuschließen, ist spezielle Hardware erforderlich. Die Tier-1-Audio-Hardware für die Massenproduktion ist höchstwahrscheinlich noch nicht verfügbar (wenn sie überhaupt ausgewählt wurde). Häufig steht der Zielfahrzeug-Prototyp noch nicht zur Verfügung, weshalb ein Erprobungsträger eingesetzt wird. Das ist ein typisches Serienfahrzeug mit meist geringem Innenraumgeräuschpegel. Eine Entwicklungseinheit wird verwendet, die dieselben Komponenten wie ein echtes Tier-1-Audiosystem enthält.

Die Sound Designer-Fahrzeugeinheit, die über ein CAN-Gateway mit dem CAN-Bus eines Fahrzeugs verbunden ist. Bei diesem Setup wird der Audioausgang der Fahrzeugeinheit mit einem externen Lautsprechersystem verbunden. Simcenter Testlab Sound Designer steuert die Klangsignatur und alle ihre Parameter in Echtzeit, während die dynamischen Fahrdaten direkt aus dem Fahrzeug kommen.
Die Sound Designer-Fahrzeugeinheit, die über ein CAN-Gateway mit dem CAN-Bus eines Fahrzeugs verbunden ist. Bei diesem Setup wird der Audioausgang der Fahrzeugeinheit mit einem externen Lautsprechersystem verbunden. Simcenter Testlab Sound Designer steuert die Klangsignatur und alle ihre Parameter in Echtzeit, während die dynamischen Fahrdaten direkt aus dem Fahrzeug kommen.

Bereitstellungsphase

Wie eingangs argumentiert, haben Sie am besten von Anfang an das Ende im Blick! Für aktives Sounddesign bedeutet das, dass Konstrukteure mit der Konstruktion von aktivem Sound beginnen sollten, mit dem ultimativen Ziel, ihn in die Massenproduktion des Zielfahrzeugs zu bringen.  Genauer gesagt muss es auf der vom Auto-Erstausrüster ausgewählten Tier-1-Audiohardware laufen. Diese Hardware verwaltet nicht nur ASD, sondern integriert auch alle anderen im Fahrzeug ablaufenden Audioprozesse wie Infotainment, Bluetooth für Handys, Navigation, Warntöne und aktive Geräuschunterdrückung.

Um den Einsatz von ASD zu verstehen, ist es erforderlich zu wissen, wie solche Hardware funktioniert. Erstens verfügt es in der Regel über mehrere Audio-DSP-Chips von Chiplieferanten wie ADI, NXP oder TI. Diese Chips verfügen üblicherweise über einen kleinen internen RAM-Speicher. Sie sind auf einer Hardware-Audioplatine integriert, die auch über einen Flash-Speicher verfügt, in dem einige Audio-Samples gespeichert und bei Verwendung in den Audio-DSP-RAM geladen werden können. Schließlich gibt es auch USB/UTP-Schnittstellen für die Kommunikation mit dem Gerät, Audiobusse und Audioein-/ausgänge.

Typisches Tier-1-Audio-Hardware-Board mit Audio-DSP (ADI Sharc), SPDIF und analogem Audio-Ein-/Ausgang und USB/UTP-Schnittstellen. Die Implementierung aktiver Klangkonstruktion für die Massenproduktion erfordert die Einbettung der Klangsynthese in entsprechende Hardware.
Typisches Tier-1-Audio-Hardware-Board mit Audio-DSP (ADI Sharc), SPDIF & analogem Audio-Ein-/Ausgang und USB/UTP-Schnittstellen. Der Einsatz aktiver Klangkonstruktion in der Massenproduktion erfordert die Einbettung der Klangsynthese in entsprechende Hardware.
Typische Chiparchitekturen stammen von ADI, NXP oder TI.

Auf dieser Hardware läuft eine als Framework bezeichnete Anwendung. Das Framework wird mittels Entwicklungstools für Embedded-Systeme wie Code Composer Studio oder AUTOSAR erstellt. Der Code muss mit einem speziellen Compiler für das Programmiertool kompiliert und anschließend auf die Hardware aufgespielt werden.

Es gibt zwei große Herausforderungen, wenn es darum geht, aktive Klangsignaturen für die Massenproduktion auf solchen Hardwaresystemen bereitzustellen. Zuerst muss die Klangsignatur auf dem Framework ausgeführt werden. Es wäre eine Verschwendung von Ressourcen, wenn der perfekt gestaltete Sound im Framework noch einmal von Grund auf neu programmiert werden müsste. Außerdem ist es weder die Aufgabe noch die erwartete Fähigkeit des Sounddesigners, integrierten Hardware-Code zu programmieren.

Die zweite Herausforderung beim Einsatz von ASD besteht darin, dass eine Klangsignatur validiert und auf das Fahrzeug abgestimmt werden muss. Es wäre äußerst ineffizient, wenn jede Klanganpassung erst programmiert werden müsste. Dann wird der Code neu kompiliert, auf einen Chip gebrannt und die Hardware-Platine wieder ins Fahrzeug eingebaut. Und erst dann ist der Konstrukteur in der Lage, es zu testen …

Die Lösung beider Herausforderungen liegt in der Integration der Klangsynthese-Bibliothek ins Framework. Dies wird von Simcenter Testlab Sound Designer verwendet. Integration bedeutet, dass die Bibliothek zusammen mit dem Framework kompiliert wird. Es läuft auf dem Audio-DSP, greift auf den Flash-Speicher zu und verfügt über eine Kommunikationsschnittstelle. Dadurch kann das Soundesign-Tool über USB oder UTP mit der Bibliothek kommunizieren. Es ermöglicht, eine komplett neue Signatur auf die Audio-Hardware zu laden, ohne den Code neu kompilieren zu müssen. Darüber hinaus kann eine Aktualisierung einiger Parameter in Echtzeit durchgeführt werden, und der Effekt wird sofort hörbar sein.

Finales Framework für Active Sound Design: Das Sounddesign-Tool (Simcenter Testlab Sound Designer) koppelt direkt an die Tier-1-Audio-Hardware und ermöglicht das Abstimmen und Aktualisieren aktiver Klänge ohne Neukompilierung des eingebetteten Audio-Frameworks.
Finales Framework für Active Sound Design: Das Sounddesign-Tool (Simcenter Testlab Sound Designer) koppelt direkt an die Tier-1-Audio-Hardware und ermöglicht das Abstimmen und Aktualisieren aktiver Klänge ohne Neukompilierung des eingebetteten Audio-Frameworks.

Zum Schluss ...

Active Sound Design ist ein Prozess, der die Bereitstellungsphase umfassen sollte. Es wäre eine mangelhafte Umsetzungsstrategie, wenn das Ergebnis der Konstruktions- und Validierungsphase lediglich ein einzelnes Klangmuster wäre, das an einen Tier-1-Audiolieferanten weitergegeben würde, dessen Konstrukteure den Klang dann neu erschaffen müssten.

Daher liegt die Stärke einer guten Soundkonstruktion darin, ihre Ergebnisse auf eingebetteten Audio-Hardware-Systemen einsetzen zu können.

Möchten Sie mehr über Active Sound Design und deren Einsatz in der Serienproduktion erfahren?

Auf dieser Seite erfahren Sie, wie Hyundai Motor Corporation aktive Klänge für ihre Fahrzeuge kreiert, und wo Sie an einem On-Demand-Webinar teilnehmen können.

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